21. Oktober 2025

Temporärarbeit ist kein Kostenfaktor

Wieso man die Kosten von Temporär- und Festanstellungen nicht einfach vergleichen sollte

Temporärarbeit in der Pflege wird oft als teuer kritisiert – aber ist sie das wirklich?


In der öffentlichen Diskussion wird häufig argumentiert, dass Temporärarbeit im Gesundheitswesen die Spitäler langfristig mehr koste als Festanstellungen. Doch diese Betrachtung greift zu kurz. Der Schlussbericht «Ökonomisches Gutachten zur Temporärarbeit in Spitälern» von Swiss Economics (2025) zeigt deutlich: Ein direkter Kostenvergleich zwischen Temporär- und Festanstellungen ist weder sachlich noch wirtschaftlich sinnvoll.

 
Unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Kostenstrukturen

Temporärarbeit und Festanstellungen erfüllen im Spitalbetrieb völlig verschiedene Zwecke.
Während Festangestellte für den kontinuierlichen Betrieb und den Aufbau langfristiger Teams sorgen, ermöglicht die Temporärarbeit kurzfristige Flexibilität – genau dann, wenn sie am dringendsten gebraucht wird: bei Krankheitsausfällen, saisonalen Schwankungen oder erhöhter Auslastung.

Das lässt sich mit der Rechtsbranche vergleichen: Ein festangestellter Unternehmensjurist kostet pro Stunde weniger als eine externe Anwältin – trotzdem setzen Unternehmen regelmässig auf Kanzleien, um bei Bedarf schnell auf Fachwissen zugreifen zu können.

Genauso greifen Spitäler auf temporäre Pflegekräfte zurück, um ihre personelle Versorgung sicherzustellen – nicht, weil es die günstigste, sondern weil es die effizienteste und zuverlässigste Lösung ist.

 Der wahre Vergleich: Total Cost of Ownership

Ein fairer Vergleich muss alle Kostenfaktoren berücksichtigen – nicht nur den Stundenlohn.
Dazu gehören etwa:

  • Sozialversicherungsbeiträge und administrative Aufwände,

  • Opportunitätskosten bei unbesetzten Betten,

  • Kosten für Überstunden, Pool-Aufbau oder Schliessungen von Stationen,

  • Folgekosten durch Überlastung oder Krankheitsausfälle.

Wenn Temporärarbeit wegfällt, müssen Spitäler teure Alternativen aktivieren: interne Pools, Lohnprämien, zusätzliche Schichten oder gar Bettenschliessungen.

Ein seriöser Kostenvergleich muss daher immer aus einer «Total Cost of Ownership»-Perspektive erfolgen – also unter Berücksichtigung sämtlicher direkter und indirekter Aufwände.

Temporärarbeit sichert Fachkräfte – für alle Spitäler

Neben den reinen Kosten hat Temporärarbeit auch eine systemische Funktion im Gesundheitswesen:

  • Erhalt von Arbeitskräften: Viele Pflegefachpersonen würden ohne flexible Modelle gar nicht mehr im Beruf arbeiten. In Deutschland gaben 44 % der Befragten an, in einen anderen Bereich zu wechseln, wenn Temporärarbeit verboten würde.

  • Attraktivität des Berufs: Flexiblere Arbeitsmodelle erhöhen die Zufriedenheit und fördern den Berufsnachwuchs.

  • Know-how-Transfer: Temporärarbeitende bringen wertvolle Erfahrungen und Best Practices aus anderen Institutionen mit.

  • Stabilität im System: Durch überregionale Einsätze können personelle Engpässe effizient abgefedert werden – und das über Klinikgrenzen hinweg.

Diese Effekte nützen allen Spitälern, nicht nur jenen, die Temporärarbeit aktiv nutzen.

 

Fazit: Temporärarbeit füllt keine Lücken – sie hält das System am Laufen.

Anstatt kurzfristig auf reine Kostensenkung zu setzen, sollten Spitäler, Politik und Gesellschaft den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Temporärarbeit erkennen.

Sie sorgt für Stabilität, verhindert Fachkräftemangel und bietet Pflegefachpersonen die Flexibilität, die sie brauchen, um langfristig im Beruf zu bleiben.

Ein Vergleich mit Festanstellungen ist daher nicht nur unvollständig, sondern irreführend.
Wer die Pflege nachhaltig sichern will, muss die Temporärarbeit als strategischen Bestandteil des Gesundheitssystems begreifen – nicht als Kostenfaktor.

 

Quellenhinweis

Dieser Blogbeitrag basiert auf Erkenntnissen aus dem Bericht «Ökonomisches Gutachten zur Temporärarbeit in Spitälern – Schlussbericht (Swiss Economics, 2025)».

Kontaktperson

Lifejob

Jetzt bewerben